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Herr Grube und sein Verhältnis zur Wahrheit

Am Montag, den 10.01.2011 war Herr Rüdiger Grube, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn AG, beim Verkehrsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses wegen der seit zwei Jahren anhaltenden Krise der Berlliner S-Bahn vorgeladen. Herr Grube redete dabei eine ganze Zeit lang, und er versuchte wieder einmal, die Verantwortung für das S-Bahn-Chaos von der DB wegzudeligieren zum Herstellerkonsortium (Bombardier bzw. anfangs DWA/AEG).

Wörtlich sagte er u. a. (Zitat):

Was mich allerdings, und das möchte ich auch hier ganz offen sagen, in der öffentlichen Diskussion stört, dass so gut wie gar nicht mehr erwähnt wird, dass der eigentliche Auslöser für die S-Bahn-Krise die mangelhaften und falsch konstruierten Komponenten an unserer Fahrzeugflotte 481 sind, nämlich die eines bekannten Herstellers, die uns all diese Schwierigkeiten bereitet haben.

Schön gesagt Herr Grube.

Schön verschwiegen, Herr Grube,

  • dass noch vor vier Jahren seitens der S-Bahn Berlin GmbH die Baureihe 481 in höchsten Tönen gelobt wurde wegen ihrer hohen Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit von fast 98%;
  • dass die S-Bahn Berlin GmbH auf (Spar-)Druck der Konzernführung der DBAG die Wartung und Instandhaltung der Fahrzeugflotte soweit heruntergeschraubt hat, dass die Fahrzeuge seit Jahren nur noch auf Verschleiß gefahren werden,
  • dass vor 17 Monaten bekannt geworden ist, dass die S-Bahn sicherheitsrelevante und vom Hersteller vorgeschriebene Austauscharbeiten an Verschleißteilen der Bremsanlage unterlassen und damit Versagen von Bremsen an einzelnen Wagen verursacht hat
  • dass die S-Bahn eigenmächtig die ebenfalls sicherheitsrelevanten Fristen für das Auffüllen der Sandstreubehälter so verlängert hatte, dass Züge tagelang ohne Streugranulat gefahren sind, und dass hierdurch der Auffahrunfall in Südkreuz am 20.11.2006 verursacht wurde (neben weiteren, ebenfalls durch die S-Bahn selbst zu verantwortenden Ursachen)
  • dass während der letzten fünf Jahre Betriebwerkstätten geschlossen und zahlreiche mit der Fahrzeugwartung betraute Mitarbeiter rausgeschmissen wurden, wodurch die S-Bahn nicht nur einen gravierenden numerischen Personalverlust, sondern auch Know-How-Verlust erlitt
  • dass die DB Netz es seit Jahren unterlässt, die technischen Einrichtungen der Bahnanlagen in ausreichendem Maße zu warten und es deswegen fast täglich zu irgendwelchen Signalstörungen und im Winter zum Einfrieren von Weichen und Streckenanschlägen (siehe meine Seite Fahrsperre) kommt (z. B. am 02.12.2010 bei den ersten paar Schneeflocken hochkant).

Wer sich so vor gewählten Volksvertretern äußert und die Wahrheiten mißachtet, der hat für meine Begriffe jedes Quäntchen Glaubwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit verspielt. Der wird nicht in der Lage sein, die Probleme der DBAG und der S-Bahn Berlin GmbH zu einer angemessenen Lösung zu führen. Der wird weiter eine auf Gewinnmaximierung orientierte Geschäftspolitik zu unseren Lasten – zu Lasten der Bürger von Berlin und Brandenburg – und auch zu Lasten der Beschäftigten der S-Bahn – betreiben, und die Berliner S-Bahn, in das Grab, das jetzt bereits ausgehoben ist, einbuddeln.

Ernst-Otto Constantin, der frühere Arbeitsdirektor der S-Bahn Berlin GmbH (von 1996 bis 2002), hat sich, so berichtete heute die Berliner Zeitung, in einem offenen Brief an Berlins Verkehrssenatorin Ingeborg Junge-Reyer gewandt. Danach, so die Zeitung, würde Herr Constantin den Ausführungen von Herrn Grube widersprechen und den von der Konzernspitze der DBAG verordneten Sparzwang und dessen Umsetzung bei der S-Bahn verantwortlich machen.

13.01.2011

Links zum Thema:

Übertragung der Rede von Herrn Grube aus dem Verkehrsausschuss beim RBB: (das oberste Video rechts)
https://www.rbb-online.de/nachrichten/politik/2011_01/Ramsauer_will_Strategiewechsel_bei_S-Bahn.html
Artikel der Berliner Zeitung über den offenen Brief von Herrn Constantin an Frau Junge-Reyer
https://www.berliner-zeitung.de/archiv/ernst-otto-constantin–s-bahn-geschaeftsfuehrer-bis-2002–widerspricht-db-boss-grube-flugschnee-gab-es-auch-damals,10810590,10765540.html

28.12.2011 Link zum Artikel der Berliner Zeitung aktualisiert

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