S-Bahn-Krise überwunden ?

In der aktuellen Kundenzeitung der S-Bahn Berlin GmbH und der DB „Punkt 3“, Ausgabe 5/2013, Seite 4/5 behauptet Peter Buchner, Sprecher der Geschäftsführung der S-Bahn Berlin GmbH, dass das Tal durchschritten und die Krise aufgearbeitet sei. Weiterhin behauptet er (Zitat):

„Die S-Bahn Berlin hat in den drei Krisenjahren 2009 bis 2011 ein trauriges Bild abgegeben.“

Das kann man wohl laut sagen, Herr Buchner. Aber ist es richtig, von drei Krisenjahren 2009 bis 2011 zu sprechen ? Wohl kaum. Denn auch im Jahr 2012 hielt die S-Bahn Berlin massenhaft Chaostage für uns Fahrgäste bereit.

  • Während des gesamten ersten Halbjahres kam es zu einer hohen Zahl von Zugausfällen wegen Triebfahrzeugführermangel, eine Folge jahrelangen Missmanagements bei der Personalplanung.
  • Offenbar wegen Baumängeln kam es am 22.05.2012 zu einem Kabelbrand, der den S-Bahn-Verkehr im Umfeld des Bahnhofs Treptower Park für mehrere Tage lahm legte. Einen Tag vorher legte ein Stellwerksausfall Teile des S-Bahnnetzes für mehrere Stunden lahm.
  • Am 21.08.2012 ereignete sich in Tegel ein schwerwiegender Bahnbetriebsunfall, bei dem mehrere Fahrgäste verletzt wurden. Infolge des Unfalls waren Schulzendorf, Heiligensee und Hennigsdorf für mehrere Tage vom S-Bahn-Netz abgeschnitten.

Alle drei Fakten widerlegen die Einschätzung, dass 2012 nicht zu den Krisenjahren der S-Bahn gehören würde.
Nachstehend unternehme ich mal den Versuch, meine Einschätzung zur S-Bahn aus Fahrgastsicht abzugeben, und zwar zu drei verschiedenen Zeitpunkten: 2003 (also vor der S-Bahn-Krise); Januar 2011 (also als die S-Bahn mal wieder auf mehreren Streckenabschnitten den Verkehr für Wochen komplett einstellte) und Februar 2013. Dabei setze ich eine Benotung von 1 bis 5 an, so wie ich es aus meiner Schulzeit kenne (1=sehr gut; 5=ungenügend).

Kriterium 2003 Januar 2011 Februar 2013 Zum Vergleich: U-Bahn der BVG Februar 2013
Pünktlichkeit 1 5 2 1
Zuverlässigkeit 1 5 3 *1) 1
Betriebssicherheit 1 4 *2) 4 *2) 1
Sauberkeit 3 3 3 4
Persöhnliches Sicherheitsempfinden 2 2 2 3 *3)
Fahrgastinformation 2 4 *4) 3 *4) 2
Störfall-Management 2 5 4 4
Allgemeines Image 2 5 3 2
*1) Wegen der Chaostage in der Woche vom 21. Januar 2013 (Montag) zum 27.01.2013 (Sonntag) kann die Benotung nicht besser ausfallen.
*2) Wegen der Bahnbetriebsunfälle in Südkreuz am 20.11.2006 und in Tegel am 21.08.2012 kann die Benotung nicht besser ausfallen.
*3) Wegen der Häufung von Straftaten gegen Leben und Gesundheit von Fahrgästen auf den U-Bahnhöfen in den letzten Jahren kann die Benotung nicht besser ausfallen.
*4) Wegen der vielen Dummfug-Ansagen und -anzeigen seit der Einführung des neuen GPS-gestützten Fahrgastinformationssystems auf den Bahnhöfen kann die Benotung nicht besser ausfallen.

Ich gebe Ihnen Recht, Herr Buchner, wenn Sie einschätzen, dass die S-Bahn die tiefste Talsohle ihrer Krise durchschritten hat. Vollends hat die S-Bahn aber ihre Krise noch lange nicht überwunden. Davon kann wohl erst dann die Rede sein, wenn es ein Jahr lang keine einzige schwerwiegende Betriebsstörung gibt und zudem mindestens 96% der Zugfahrten innerhalb des vertraglich vereinbarten, nach meiner Einschätzung sehr großzügigen Verspätungslimmits von drei Minuten abgewickelt werden. Großzügig ist dieses Limit, weil bei drei Minuten Verspätung bereits viele Anschlussverbindungen platzen.

Um aus ihrer Krise heraus zu kommen, muss die S-Bahn Berlin noch sehr viel leisten.

Aber, ich will nicht verschweigen, dass auch wir Fahrgäste unseren Beitrag für eine pünktliche und zuverlässige S-Bahn leisten müssen. Nicht selten tragen Fehlverhalten und mangelnde Rücksichtnahme der Fahrgäste untereinander zu Zugverspätungen bei. Solche Verhaltensweisen kann man täglich beobachten. Einige Beispiele:

  • Missachtung des Warnsignals vor dem selbsttätigen Schließen der Türen, d. h. Fahrgäste versuchen noch, sich in den Zug hinein zu mogeln, obwohl die Türen bereits in der Schließbewegung sind; das löst in jedem Falle eine verzögerte Abfahrt aus und kann zu Türschäden und schweren Unfällen führen. Eine absolut intolerable Verhaltensweise !
  • Damit in Zusammenhang das gewaltsame Offenhalten der Türen bei deren selbsttätigem Schließen (man will ja seinem die Treppe hochhetzenden Mitmenschen noch das Einsteigen ermöglichen). Auch absolut intolerabel, mit den gleichen Folgen
  • Stehenbleiben im Türraum nach dem Einsteigen, obwohl in der Wagenmitte noch reichlich Platz ist, das behindert noch auf dem Bahnsteig stehende Fahrgäste beim Einsteigen und verzögert somit den Fahrgastwechsel usw.

Also auch wir Fahrgäste können durch rücksichtsvolles Verhalten einen, wenn auch nur kleinen Beitrag leisten, um den S-Bahn-Verkehr endlich wieder pünktlich und zuverlässig zu machen.

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